Der Ölbaum und das Schilfrohr (nach Aesop)
Unweit eines Sees stand seit vielen Jahren ein prächtiger, stolzer Olivenbaum.
Er rühmte sich gern seiner Stärke und Standhaftigkeit und fühlte sich allen anderen Pflanzen ringsum überlegen.
Am Ufer des Sees wuchs auch Schilfrohr, das sich seicht im Wind hin und her wiegte. Darüber brach der Ölbaum in lautes Gelächter aus und verspottete das Schilfrohr, weil es sich so leicht von allen möglichen Winden beeinflussen ließe und keine feste Position einnähme.
Das Schilfrohr hörte geduldig zu, schwieg aber zu dieser Anschuldigung.
Da zogen Wolken auf. Der Himmel verdunkelte sich. Ein starker Wind kam auf und braute sich zu einem heftigen Sturm zusammen.
Der setzte dem Schilfrohr kräftig zu, wehte es hin und her, peitschte es von einer Seite auf die andere. Das geschmeidige Schilf passte dabei seine Bewegungen dem Rhythmus des Windes an, ließ sich verbiegen und zerzausen, trug aber letztendlich durch den Sturm keinen Schaden davon.
Der Ölbaum aber stemmte sich mit all seiner Kraft gegen den Sturm. Unter keinen Umständen wollte er nachgeben, sich vom Wind verbiegen und demütigen lassen. Der gewaltige Sturm aber ließ nicht nach und hatte schließlich den längeren Atem: Drei große Äste brach er dem Olivenbaum aus seiner Krone.
Standhaftigkeit ist nicht immer die bessere Strategie und
Nachgiebigkeit nicht immer ein Zeichen von Schwäche.
Cornelia (Schauspielerin):